


https://www.suedostschweiz.ch/leserbriefe/2025-03-05/wo-bleiben-freiheit-und-selbstbestimmung#comment-97248
Wolfgang Reuss 05.03.2025 - 15:54 Uhr
Leider irrt Marti, und Meier grundsätzlich.
Die BRICS-Staaten und -Bewerber (praktisch ganz Afrika inzwischen Pro Russland) scheinen es besser zu wissen als Meier Ems.
Schön wäre es, wenn Trump sich auf die USA selbst beschränken würde, wie
Marti das hofft. Das Gegenteil garantiere ich (nicht nur Grönland und
die Gaza-"Riviera" betreffend), ebenso, wie ich die Wette "USA-Wahl
2024" gewann, obwohl die Medien voll waren von "Favoritin Harris". Es
lässt sich letztlich alles ganz einfach erklären – wenn man KNOW HOW.
Kurt Meier nennt Russlands Spezialoperation "brutalen
menschenverachtenden Vernichtungskrieg", obwohl die Zivilopfer in der
Ukraine etwa das Gegenteil der Situation in und um Israel darstellen
dürften (wo der Anteil Kinder/Frauen bei weit über der Hälfte der
erstaunlich hohen Opferzahlen liegt). Sollte man das dann als "sanften
menschenwürdigenden Bewahrungskrieg" bezeichnen, Herr Meier?
https://www.suedostschweiz.ch/leserbriefe/2025-03-01/fuer-einen-sofortigen-waffenstillstand-in-der-ukraine#comment-97206
Wolfgang Reuss 03.03.2025 - 19:48 Uhr
Heinrich Frei, Ihr Anliegen ist auch mein Anliegen, jedoch das wird
nicht funktionieren ohne die Ursache des Konflikts zu verstehen. Wie in
der Medizin: Ursächlich, äthiotrop statt symptomatisch.
Bloss ein Waffenstillstand, ohne das Ganze zu begreifen bzw. vor allem
die Ursache zu beheben, würde nur den "Herd" für weitere und wohl noch
grössere Probleme initiieren, und wird deshalb sicherlich
vernünftigerweise von Russland abgelehnt werden.
Der Schlüssel lag und liegt im Verhalten des Westerns (vgl. auch
Napoleon, 1WK, 2WK). Meines Wissens war durch die Friedensinitiative von
Gorbi 1989/1990 (bei der ich bereits den "Webfehler" sah, dass der
Abzug nach dem 2WK symmetrischerweise auch den Abzug der USA hätte
bedeuten müssen, vergleiche auch die Initiative von Friedensengel Olof
Palme "Blockfreies Europa") festgelegt, dass die Ukraine "neutral" sein
müsse (also so, wie es die Schweiz ist oder war), und die Probleme
entstanden nur dadurch, dass die Ukraine spätestens seit dem Putsch (was
eh antidemokratisch ist, gell) westlich instrumentalisiert gegen
Russland hetzte, und das in einem genuin russischen Gebiet (Kiew gilt
als "Wiege Russlands": Kiew, die "Mutter aller russischen Städte" war im
Mittelalter das Machtzentrum des ersten russischen Reichs, der Kiewer
Rus, dem Vorläuferstaat des späteren Russland).
Dass Unbelehrbare wie Zogg (der mich etwa pauschal als
"Geschichtsverdreher" bezeichnet) das gegenteilig "sehen" – "Experte"
Zogg wettete sogar auf Sieg Harris 2024 –, was solls. Das möge den
Vernünftigen Ansporn sein, umso mehr sich für das Richtige, das Gute,
einzusetzen.
Ziel Endsieg:
USAlleineigentum against Indianer & against Restwelt:
https://www.suedostschweiz.ch/blogs/brief-aus-dem-krieg/putin-ueberschaetzt-russlands-staerke#comment-98449
Wolfgang Reuss 05.05.2025 - 01:01 Uhr
Ich finde es destruktiv, dass Somedia meinen Kommentar löschte, dass (Stand: 5.5. um 1:01 Uhr) 20 Daumen rauf und zwei nach unten für obigen Text des "anonymen alias pseudonymen Ukraine Serien-Schreibers für Somedia".
Viele scheinen "die Mehrheit hat immer recht" mit "Wahrheit/Realität" zu verwechseln, ähnlich wie Geozentrik die Kirche über Jahrhunderte halt behauptete gegen Kopernikus/Galilei.
Die USA erlauben keine fremde Militärbasen etwa in Kuba, jedoch in der Ukraine (an der besonders empfindlichen Westflanke nahe Moskau) soll das erlaubt sein. Was sagen dazu unsere Wokeness- und Gleichstellungs-Politiker?
Russland wurde von Napoleon, 1WK, 2WK angegriffen. Vergleiche: Heartland.
Russland fordert einzig Sicherheitsgarantien (insbesondere 2021), während Politiker wie Tusk (EU und Polen) und US-Senator Mitch McConnell uns in der Vorkriegszeit definieren. Ich finde Daumen hoch suizidal. Nach dem 2WK skandierte man in Deutschland "Nie wieder Krieg". Und in heutigen Kommentarspalten sehe ich die Sehnsucht nach mehr Waffen und Konfrontation, statt gemäss Olof Palme ein blockfreies Europa zu erarbeiten.
Die wahren Denker scheinen auszusterben wie Die Arten:
https://www.youtube.com/shorts/1_DnbYRQ9go
Wiki: Eugen Drewermann (85) ist ein deutscher Theologe, Psychoanalytiker und Schriftsteller. Als suspendierter römisch-katholischer Priester ist er 2005 aus der Kirche ausgetreten. Als prominentes Mitglied der Friedensbewegung tritt er regelmäßig als Redner auf Demonstrationen in Erscheinung und wirbt in seinen Vorträgen für ein friedliches Zusammenleben sowie eine gewaltfreie Völkerverständigung. Mit seiner Tierethik wendet er sich gegen die Vorstellung, Tiere seien dem Menschen untergeordnet.
https://www.suedostschweiz.ch/blogs/brief-aus-dem-krieg/putin-ueberschaetzt-russlands-staerke#comment-98452
Antworten
Wolfgang Reuss 05.05.2025 - 03:12 Uhr In reply to by
Russland und China möchten in Frieden ihr Land und Wirtschaft entwickeln. Die USA expandieren weltweit an deren Grenzen, erlauben es aber umgekehrt nicht (als Reaktion, denn Russland/China sind militärisch an sich nicht expansiv, vergleiche Militärstützpunkte weltweit).
Ich kenne weltweit nur ein einziges Land mit folgendem antidemokratischen (Beispiel punkto Grönland) planetaren Ambitionsmuster:
US-Präsident Donald Trump sagte in einem Interview über seine zweite Amtszeit: «Beim zweiten Mal regiere ich das Land und die Welt.»
https://www.bluewin.ch/de/news/international/trump-ticker-2623944.html
Zeitpunkt.ch Heftausgabe Nov/Dez 2017:
https://ibb.co/BVCzDtmL
Richard David Precht:
https://www.youtube.com/shorts/8RZarDts4N8
Russlands Aussenminister Lawrow:
https://www.youtube.com/watch?v=BRRdlqi5Pe4
Eugen Drewermann: USA fürchten Frieden mit Russland und China
In jeder Not das Zauberwort: LOGIK:
https://globalbridge.ch/bedrohungsluegner-kriegsgurgeln-und-hirn-tot-schlaeger/
Kommentar | Bedrohungslügner, Kriegsgurgeln und Hirn-Tot-Schläger
04. April 2025 Von: Friedhelm Klinkhammer und Volker Bräutigam in Allgemein
Die Angstmacherei vorm "russischen Angriffskrieg" ist ein fieses Ablenkmanöver von den westeuropäischen Kriegsplänen gegen Russland
Sigmar Gabriel, abgehalfterter Ex (-Vizekanzler, -Außenminister, -SPD-Vorsitzender), pisst von der Atlantik-Brücke (gegen den Wind): "Wäre ich Putin, würde ich schon 2028 kommen." Zu unserem und der Russen Glück ist er es nicht, sondern bloß ein Sozi aus deren Stahlhelm-Fraktion. Erschwerend kommt hinzu: Er sitzt für fettes Honorar in den Aufsichtsräten kriegswichtiger Unternehmen, zum Beispiel der Deutschen Bank, der Siemens Energy Global, der thyssenkrupp Steel Europe und der Daimler Truck Holding. Kriegsängste schüren liegt in deren Geschäftsinteresse. Krieg ist ihr Ersatzbegriff für immensen Profit. Sozis von Gabriels Schlage haben das längst verinnerlicht.
Weder lernwillig noch lernfähig – schlicht empathielos. Dass bereits zwei deutsche Russland-Feldzüge in neuerer Zeit in Katastrophen mit Millionen Toten endeten, stört sie nicht. Im Ersten Weltkrieg bramarbasierten die Vertreter des Geldadels vom "unausweichlichen Kampf zwischen Germanentum und Slawentum". Bekanntlich stimmte die SPD damals den Kriegskrediten zu, mit denen das ersehnte Abschlachten finanziert wurde. 23 Jahre später machten die von den Konservativen an die Macht gehievten Nazis weiter. Mit der gleichen Propagandalüge, der "Gefahr aus dem Osten":
"In diesem gemeinsamen Kampf um die gemeinsame Existenz müssen Meinungsverschiedenheiten innerhalb der europäischen Staatengemeinschaft zurücktreten und muss die Pflicht lebendig werden, die gemeinsame Front zu bilden gegenüber dem roten Weltfeind". (Das Nazi-Blatt Völkischer Beobachter am 16. Juni 1937. Quelle: "Die Bedrohungslüge", G. Kade, 2. Auflage 1980, S.106).
Man ersetze "roter Weltfeind" mit "Machthaber Putin", schon ist man mittendrin in der Rhetorik unserer Gegenwart. Wir wollen keinen Zweifel lassen, wes Geistes Kind die Zeitgenossen sind, die den Schmarren "der Russe bedroht Europa" neuerdings in Umlauf brachten – und welche bösen Hintergedanken sie dabei haben. Deshalb das Zitat eines der schlimmsten Demagogen der Zeitgeschichte:
"Es ist nunmehr notwendig, das deutsche Volk psychologisch allmählich umzustellen und ihm langsam klarzumachen ist, dass es Dinge gibt, die, wenn sie nicht mit friedlichen Mitteln durchgesetzt werden können, mit Mitteln der Gewalt durchgesetzt werden müssen … dazu war es notwendig, nicht nur die Gewalt als solche zu propagieren, sondern dem deutschen Volk bestimmte außenpolitische Ereignisse so zu beleuchten, dass die innere Stimme des Volkes selbst langsam nach der Gewalt zu schreien beginnt …" (Adolf Hitler vor der deutschen Presse am 10. November 1938. Quelle: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte, Heft 2/1958, S.182 ff)
Seit Jahrzehnten pinseln journalistische Agitatoren wie Udo Lielischkies, Sylvia Stöber, Ina Ruck, Sabine Adler, Golineh Atai, Thomas Roth und Demian van Osten das Feindbild Russland. Ihre Farbmischung: Unterstellungen, Lügengeschichten, (Heldenlegende Nawalny, Vergiftungssaga Skrypal, Räuberpistole "Cyberattacken"). Die deutschen Systemmedien, angeführt vom "Flaggschiff" ARD-Tagesschau, waren sich für keine Falschmünzerei zu schade.
Wir sind wieder so weit
Wenn irgendein unbedarftes Hornvieh blökt, der "autoritäre" Putin werde demnächst Krieg gegen Westeuropa und speziell gegen Deutschland führen, dann sind allemal genug hirnrissige Journalisten zur Stelle, um das abzumelken und zu Nachrichtenkäse zu verarbeiten.
Diesen von logischen Denkprozessen und politischer Sachkenntnis weit entfernten beruflichen Ausfallerscheinungen ist es egal, welchen niederträchtigen Interessen sie dienen: der planvollen Umstellung auf Kriegswirtschaft und Kriegsfinanzierung, der Ablenkung vom "notwendigen" Sozialabbau und damit der Profitgier der Rüstungswirtschaft und ihrer Aktionäre.
Das ganze Elend wird manchmal schlaglichtartig sichtbar. Die bayerische Gesundheitsministerin Gerlach forderte kürzlich ein bundesweites Programm zur medizinischen Versorgung im Kriegsfall. Hintergrund sei
"die militärische Bedrohung durch Russland und eine mögliche Abkehr der USA durch Donald Trump."
Na bitte. Und niemand fragt zurück, wann die Frau selbst das letzte Mal beim Arzt war.
Dass deutsche Friedenspolitik erheblich preiswerter und sinnvoller sein könnte als der Bau von Lazaretten für Kriegsversehrte, kommt bei solchen Tönen niemandem mehr in den Sinn. Obwohl die gedanklichen Parallelen zur kriegsvorbereitenden AgitProp der Nazis kaum zu übersehen sind. Dass hierzulande schon viele neofaschistische Kulissen geschoben werden, stört die Journaille nicht. Sie schiebt selber mit.
Der erst wenige Monate alte Vorwurf, die Russen planten noch in diesem Jahrzehnt einen "Krieg gegen uns", wurde planmäßig und skrupellos ins öffentliche Gedächtnis gedrückt. Das lässt sich vom ersten Auftauchen an nachvollziehen.
Als Russlands "militärische Sonderoperation" gegen die Ukraine begann, war nirgendwo von einer russischen Kriegsdrohung gegenüber Resteuropa die Rede. Im Gegenteil, es herrschte eine eher abwartende und distanzierte Haltung vor, wie ein Gutachten der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestages widerspiegelt:
"…die wichtigsten außen- und sicherheitspolitischen Ziele Russlands sind … internationales Prestige und eine internationale Führungsrolle … der Status einer globalen Wirtschaftsmacht mit einem der höchsten Bruttoinlandsprodukte der Welt. Diese Ziele will Russland unter anderem durch Mitarbeit und Kooperation in internationalen Organisationen erreichen".
Auch die unsägliche frühere Bundestagspräsidentin Bärbel Bas, SPD, sprach vor drei Jahren (mit Blick auf das damals gewünschte 100-Milliarden-Euro-"Sondervermögen" zum Aufmotzen der Bundeswehr) noch nicht von der Gefahr eines russischen Angriffs, sondern betonte, dass die Schuldenmacherei nur der Verbesserung der deutschen Verteidigungsfähigkeit diene:
"Eine angemessene Ausstattung ist essenziell für unseren Schutz und den unserer Bündnispartner."
Besen im Hosenanzug
Dass von russischen Kriegsdrohungen im Frühjahr 2023 noch keine Rede war und sie selbst nichts dergleichen wahrgenommen hatte, ließ auch EU-Präsidentin von der Leyen erkennen. Bis zum Kragen abgefüllt mit Russenhass, tönte sie:
"Diese Sanktionen, die treffen Präsident Putin ins Mark und nehmen ihm die Möglichkeit, diese brutalen Kriege, die er führt, weiterzufinanzieren."
Vier Monate später zeigte sie noch deutlicher, wer da wem mit Drohungen statt Diplomatie begegnete: Sie sei fest davon überzeugt, dass man den russischen Präsidenten Wladimir Putin mit Mut und Solidarität zum Scheitern bringen werde und Europa am Ende die Oberhand gewinne.
"Ich möchte keinen Zweifel daran lassen, dass die Sanktionen von Dauer sein werden … die schärfsten Sanktionen, die die Welt je gesehen hat.
Vom Verdacht russischer Angriffspläne gegen das restliche Europa kein Wort. Prowestliche Siegesgewissheit erlaubte gar keine Aussage, Russland stelle eine Bedrohung dar. Überheblichkeit war vielmehr journalistischer Standard, sogar noch im Spätsommer vorigen Jahres:
"Während die Wirtschaft leidet, gehen Putin die Reserven und Soldaten aus. Der Kreml könnte gezwungen sein, im kommenden Jahr den Waffenstillstand zu suchen."
Das war so realistisch wie die Behauptung, Schaukelpferdäpfel gäb's auch beim Bio-Bauern. "Putin verliert", wurde allen Ernstes behauptet – bis SPD-Minister Pistorius seinen inzwischen "historischen" Furz im ZDF-Parfümladen "Berlin direkt" fahren ließ. Ohne Vorwarnung, am 30. Oktober 23:
"Wir müssen uns wieder an den Gedanken gewöhnen, dass die Gefahr eines Krieges in Europa drohen könnte. Und das heißt: Wir müssen kriegstüchtig werden. Wir müssen wehrhaft sein. Und die Bundeswehr und die Gesellschaft dafür aufstellen."
Aus dem hohlen Bauch
Ein Tabubruch, keine Frage. Doch erwähnte Pistorius Russland mit keinem Wort – dafür war er zu schlau. Er "lieferte" unausgesprochen; er konnte sich darauf verlassen, dass schon genügend Redaktionsbleistifte schnallten, was "dabei gedacht" war, und dass sie prompt die Russen der Kriegsbrunst bezichtigen würden. Beweise hätte er ja nicht beibringen können. Er schwadronierte nur im Kontext dieser westlichen Geheimdienstspekulationen: Es könnte sein / es wäre denkbar / man könne nicht ausschließen – dass Russland über das für seinen Kampf gegen die Ukraine notwendige Maß hinaus aufrüste und eine spätere Konfrontation mit der NATO suche.
Nichts als Kaffeesatzleserei im Stil der Geheimdienste, zu deren Handwerk das Erfinden von Gefahren gehört. Sie wickeln ihre parlamentarischen Auftraggeber ein. Bitte anschnallen:
"Geheimdienste schulen Bundestagsabgeordnete. Die Bundestagsfraktionen von CDU/CSU, Grünen und SPD … Als Gäste werden Bruno Kahl, Präsident des Bundesnachrichtendienstes, und Sinan Selen, Vize-Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, erwartet. … 'Wir sind in Deutschland seit Langem mit andauernden Angriffen konfrontiert', sagte Grünen-Fraktionsmanagerin Irene Mihalic."
Hochverehrte Volksvertreter! Es sollte Ihr Basiswissen sein, dass "Demokratie" und "Geheimdienst" sich im Prinzip gegenseitig ausschließen. Und dass es Ihre verdammte Pflicht und Schuldigkeit ist, die diversen deutschen Geheimpolizeien genauestens zu kontrollieren, wenn Sie schon meinen, nicht auf sie verzichten zu dürfen. Sich von diesen finsteren Brüdern schulen zu lassen, ist ein Offenbarungseid. Besagte Geheimdienst-Experten konnten ja nicht mal Bundeskanzlerin Merkels Diensttelefon vor den Spionen der Amis schützen. Bis heute kriegen sie es nicht auf die Reihe, diese NSA- und CIA-Schnüffler abzuwehren …
Vom Frieden bedroht
Die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik, GDAP, machte im Sommer letzten Jahres den Zünder für die Entwicklung der Bedrohungslüge sichtbar. Den Grund dafür, Kriegsangst zu schüren und damit plötzlich irrsinnige Rüstungsanstrengungen durchsetzbar zu machen: der befürchtete Wahlsieg des US-Präsidenten Trump und dessen Ankündigung, den Ukraine-Krieg sofort beenden zu wollen.
Entspannung mit Moskau? Der Albtraum für deutsche Kriegsgewinnler. Er rief die akademischen Gesinnungsfreunde von der DGAP auf den Plan. Deren Empfehlung:
"Im Fall eines Wahlsiegs von Trump sollten sie (die europäischen Regierungen) auf seinen transaktionalen Politikstil eingehen, aber deutlich machen, dass sie keine Verhandlungslösungen akzeptieren … Deutschland und die europäischen Regierungen müssen ihre Bemühungen zur Unterstützung der Ukraine verstärken, beschleunigen und verstetigen. … Zugleich ist es entscheidend, die europäische Bevölkerung weiterhin davon zu überzeugen, dass die langfristige Unterstützung einer freien und unabhängigen Ukraine im eigenen Interesse liegt."
Dass die "langfristige Unterstützung" darauf hinausläuft, den täglichen qualvollen Tod und die Verstümmelung Abertausender Mitmenschen zu finanzieren, kümmert GDAP-Schreibtischkrieger nicht. Aber auch zum Zeitpunkt der Veröffentlichung ihrer "Expertise" – 18. Juni 2024 – war von russischer Angriffsgefahr für Westeuropa förmlich noch keine Rede. Im Gegenteil: Es galt das Wort des damaligen NATO-Generalsekretärs Jens Stoltenberg:
"Wir stellen keine direkten Drohungen (aus Russland) gegenüber einem der Bündnismitglieder fest … Nach dem Ende der Feindseligkeiten (in der Ukraine) kann Russland seine Stärke wiederherstellen, aber das bedeutet nicht, dass wir einer direkten Bedrohung… ausgesetzt sind."
Der Zeitrahmen-Konstrukteur
Dem DGAP-"Experten" Christian Mölling blieb es vorbehalten, zu konkretisieren, was der "kriegstüchtig"-Pistorius gemeint haben könnte: Mölling nannte erstmals einen Zeitrahmen ("sechs bis acht Jahre") für den Beginn eines russischen Angriffskriegs und fantasierte die Notwendigkeit herbei, die Bevölkerung kriegsbereit zu machen.
Mölling hatte sich nicht mal 2023 vom Milliarden-"Wumms" für die Bundeswehr ruhigstellen lassen:
Das, was an "Kriegsniveau, Kriegsfähigkeit oder Verteidigungsfähigkeit" notwendig sei, um Russland von einem Angriff abzuhalten oder im Angriffsfall bereits an der Nato-Grenze stoppen zu können, sei zurzeit nicht gegeben. Es fehle an Material, Soldaten und vielen Kleinigkeiten".
Der Mann weiß, dass er mit seinem Alarmismus Kohle machen kann, ob bei der staatlich finanzierten Stiftung für Wissenschaft und Politik, beim German Marshall Fund of the United States, bei der ebenfalls staatlich und überdies von der Rüstungsindustrie finanzierten Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politikoder neuerdings bei der Bertelsmann Stiftung.
Auszug aus dem DGAP Policy Brief:
"Das Fenster zu einem möglichen russischen Angriff öffnet sich, sobald Russland den Eindruck hat, ein Angriff, etwa im Baltikum, könnte erfolgreich sein … Experten und Geheimdienste schätzen, dass Russland sechs bis zehn Jahre brauchen wird, um seine Armee so weit wiederaufzubauen, dass es einen Angriff auf die NATO wagen könnte."
Reine Behauptungen. Nicht auf Fakten gestützt, sondern auf "opportune Zeugen", "Experten" und "Erkenntnisse" der Geheimdienste. Keine Analyse, sondern eine Berufung auf die Schwarmdummheit.
Angriff als beste Verteidigung
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk, Kernstück des zensur-industriellen Komplexes, bot sich als der gegebene Tummelplatz für Hetzer und Kriegstreiber an. Ihr "Wir müssen kriegstüchtig werden, in ein paar Jahren kommt der Russe," wurde zum Ohrwurm. Der ranghöchste deutsche Soldat, Generalinspekteur Carsten Breuer, knapp 60 Jahre alt, wäre vor seiner Pensionierung wohl gerne wenigstens kurz noch mit von der Partie; er zog daher den Beginn für Iwans Angriff ein wenig vor. "Fünf bis acht Jahre". Und ließ keinen Zweifel dran aufkommen, dass er es krachen lassen möchte:
"Kämpfen können, um nicht kämpfen zu müssen, ist nicht mehr genug."
Sondern? Selbst angreifen, um endlich nicht mehr nur über Verteidigungsbereitschaft quatschen zu dürfen? Jawoll, Herr General! Feuer!
Der Mann ist bloß fleischgewordener Zeitenwende-Geist. Kanzlerkandidat Friedrich Merz:
"Es ist nämlich ein Krieg gegen Europa und nicht nur ein Krieg gegen die territoriale Integrität der Ukraine" … ein Krieg auch gegen unser Land, der täglich stattfindet: mit Angriffen auf unsere Datennetze, mit der Zerstörung von Versorgungsleitungen, mit Brandanschlägen, mit Auftragsmorden mitten in unserem Land, mit der Ausspähung von Kasernen, mit Desinformationskampagnen …" (s. dazu: David Goeßmann, "Was steckt hinter dem Vorwurf der hybriden Kriegsführung Russlands gegen Europa?")
Erst im Oktober vorigen Jahres wollte Hassredner Merz Russlands Präsident Putin ein Ultimatum stellen:
"Wenn das nicht aufhört mit den Bombardements, dann ist der erste Schritt der: Reichweiten-Begrenzung (für ukrainische Raketenangriffe auf Russland) aufheben. Und der zweite Schritt der, dass wir die >Taurus< (deutsche Rakete mit großer Reichsweite und Sprengkraft) liefern … Und dann hat Putin es in der Hand, wie weit er diesen Krieg noch weiter eskalieren will."
Ob er auch noch als Bundeskanzler den Maulhelden spielt wird, müssen wir leider abwarten. Vielleicht ermannt sich jemand aus seiner Umgebung und macht ihn darauf aufmerksam, dass Putin eine Taurus-Lieferung an Kiew als deutsche Kriegserklärung wertet und "entsprechend" reagieren will – völkerrechtlich absolut korrekt. Vielleicht erinnert sich Merz auch daran, erst kürzlich von einer russischen Haselnuss gelesen zu haben, deren Wirksamkeit weltweit beeindruckt. Vielleicht.
Kriegsplaner
Russland droht der EU nicht mit Krieg. Das bestätigen zahlreiche hochrangige Experten, zum Beispiel US-Chefunterhändler Steve Wittkoff: "Ich habe das Gefühl, Putin will Frieden." Der deutsche Ex-Generalinspekteur Harald Kujat hält Behauptungen von einem bevorstehenden russischen Angriffskrieg für "Unsinn". Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder: "absurd". Ex-Oberstleutnant Jochen Scholz: "Standardlüge". Ex-Oberst Wolfgang Richter:
"Wenn Russland tatsächlich das Mittel Krieg wahrnimmt zum Erreichen politischer Ziele, warum soll es bis 2029 warten?"
Tja. Warum? Weil Russland an einem Krieg gegen Rest-Europa gar kein Interesse hat. Der italienische Ex-Ministerpräsident Conte nennt deshalb das europäische Hochrüstungsprogramm "eine totale Geldverschwendung".
Deutschland und die EU haben für Russland keinen Reiz: gigantische Schuldenberge, schrottreif gesparte Infrastruktur, keine nennenswerten Ressourcen von irgendwas. Eine Region, deren politische Vorturner von ihrem wichtigsten "Verbündeten", der US-Regierung, offen als antidemokratisch verachtet, als Schmarotzer bezeichnet und auf den Topf gesetzt werden.
Gute Frage an uns alle:
"Wie weiter in einem Land, das dabei ist, zum Selbstbedienungsladen korrupter Regenten und Noch-nicht-Regenten zu verkommen?
Unsere politischen, journalistischen, akademischen und militärischen Krawallbrüder und -schwestern sind nur Tonverstärker mit W-LAN zum Schattenreich der Geldelite. Der ist vollkommen gleichgültig, was aus den Westeuropäern wird. Sie ist sozial abgehoben, international abgesichert und rechtzeitig offshore, bevor es kracht. Es würde ihr Stellvertreterkrieg. Sein Ziel und zugleich angelsächsischer Wunschtraum: Deutschland zerstört und Kontinentaleuropas Wirtschaft für lange Zeit am Boden.
Nicht Russland droht mit Krieg gegen Westeuropa. Umgekehrt wird ein Schuh draus: Deutsche und einige andere Westeuropäer wollen und planen Krieg gegen Russland.
Anmerkung der Autoren:
Unsere Beiträge stehen zur freien Verfügung. Wir schreiben nicht für Honorar, sondern gegen die "mediale Massenverblödung" (in memoriam Peter Scholl-Latour). Die Texte werden vom Verein "Ständige Publikumskonferenz öffentlich-rechtlicher Medien e.V." dokumentiert: https://publikumskonferenz.de/blog
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https://www.ag-friedensforschung.de/themen/Friedenspreise/nobel-literatur-pinter.html https://www.woz.ch/0550/nobelvorlesung/die-show-der-brutalen-gleichgueltigen-skrupellosen-macht
Harold Pinter – Nobelvorlesung: Kunst, Wahrheit & Politik
Am 13. Oktober 2005 wurde dem englischen Dramatiker Harold Pinter der Nobelpreis für Literatur zugesprochen (siehe hierzu: "Der Krieg gegen die Vernunft / The War Against Reason"). Die feierliche Verleihung fand am 7. Dezember in Stockholm statt. Harold Pinter war selbst nicht anwesend, hatte der Schwedischen Akademie aber eine Rede geschickt, die wir im Folgenden dokumentieren. Der erste Teil der Rede befasst sich mit Pinters Auffassung von Wahrheit in der Literatur, die er an eigenen Werkbeispielen erläutert. Im zweiten Teil wendet er sich der Politik und den Politikern zu und nimmt insbesondere die imperiale Politik der Vereinigten Staaten ins Visier - eine schonungslose Abrechnung mit der Lüge und dem Machtinteresse von Politikern. Demgegenüber ist das Leben eines Schriftstellers "ein äußerst verletzliches, fast schutzloses Dasein". Ihm ist der letzte Teil der Rede gewidmet, in der Pinter ein eigenes Gedicht, "Tod", zitiert. Dem Schriftsteller und intellektuellen Bürger obliege es, "die wirkliche Wahrheit unseres Lebens und unserer Gesellschaften zu bestimmen".
Pinter hat das in seiner Bestimmung der US-Außenpolitik so gründlich getan, dass einem angst und bange wird um die Zukunft des Menchengeschlechts.
Am Ende der Rede finden Sie eine Kurzbiografie des Schriftstellers und eine Übersicht über seine auf Deutsch erschienenen Werke.
Harold Pinter – Nobelvorlesung:
Kunst, Wahrheit & Politik
1958 schrieb ich folgendes:
"Es gibt keine klaren Unterschiede zwischen dem, was wirklich und dem was unwirklich ist, genauso wenig wie zwischen dem, was wahr und dem was unwahr ist. Etwas ist nicht unbedingt entweder wahr oder unwahr; es kann beides sein, wahr und unwahr."
Ich halte diese Behauptungen immer noch für plausibel und weiterhin gültig für die Erforschung der Wirklichkeit durch die Kunst. Als Autor halte ich mich daran, aber als Bürger kann ich das nicht. Als Bürger muss ich fragen: Was ist wahr? Was ist unwahr?
Die Wahrheit in einem Theaterstück bleibt immer schwer greifbar. Man findet sie niemals völlig, sucht aber zwanghaft danach. Die Suche ist eindeutig der Antrieb unseres Bemühens. Die Suche ist unsere Aufgabe. Meistens stolpert man im Dunkeln über die Wahrheit, kollidiert damit oder erhascht nur einen flüchtigen Blick oder einen Umriss, der der Wahrheit zu entsprechen scheint, oftmals ohne zu merken, dass dies überhaupt geschehen ist. Die echte Wahrheit aber besteht darin, dass sich in der Dramatik niemals so etwas wie die eine Wahrheit finden lässt. Es existieren viele Wahrheiten. Die Wahrheiten widersprechen, reflektieren, ignorieren und verspotten sich, weichen voreinander zurück, sind füreinander blind. Manchmal spürt man, dass man die Wahrheit eines Moments in der Hand hält, dann gleitet sie einem durch die Finger und ist verschwunden.
Man hat mich oft gefragt, wie meine Stücke entstehen. Ich kann es nicht sagen. Es ist mir auch völlig unmöglich, meine Stücke zusammenzufassen, ich kann nur sagen, dies ist geschehen. Das haben sie gesagt. Dies haben sie getan.
Die meisten meiner Stücke entstehen aus einer Textzeile, einem Wort oder einem Bild. Dem gegebenen Wort folgt oft kurz darauf das Bild. Ich gebe zwei Beispiele für zwei Zeilen, die mir urplötzlich einfielen, danach kam das Bild und dann ich.
Es sind die Stücke Die Heimkehr und Alte Zeiten. Der erste Satz von Die Heimkehr heißt: "Was hast du mit der Schere gemacht?" Das erste Wort von Alte Zeiten lautet: "Dunkel".
Das war alles, was ich jeweils an Informationen besaß.
Im ersten Fall suchte jemand offenbar eine Schere und wollte von jemand anders, den er verdächtigte, sie gestohlen zu haben, ihren Verbleib erfahren. Aber irgendwie wusste ich, dass der angesprochenen Person die Schere ebenso egal war wie die Person, die danach gefragt hatte.
"Dunkel" verstand ich als Beschreibung der Haare einer Person, der Haare einer Frau, sowie als Antwort auf eine Frage. In beiden Fällen musste ich der Sache nachgehen. Dies geschah visuell, ein sehr langsames Überblenden vom Schatten ins Licht.
Wenn ich ein Stück beginne, nenne ich die Personen immer A, B und C.
In dem Stück, aus dem Die Heimkehr wurde, sah ich einen Mann in ein kahles Zimmer kommen und seine Frage an einen jüngeren Mann richten, der auf einem hässlichen Sofa saß und eine Rennzeitung las. Ich ahnte irgendwie, dass A der Vater und B sein Sohn war, aber ich besaß keinen Beweis dafür. Meine Vermutung wurde allerdings kurz darauf bestätigt als B (der spätere Lenny) zu A (dem späteren Max) sagt: "Ich würde jetzt gerne das Thema wechseln, ja, Dad? Ich möchte dich was fragen. Unser Essen vorhin, was sollte das darstellen? Wie heißt so was? Warum kaufst du dir keinen Hund? Der würde so was fressen. Ehrlich. Aber du kochst hier nicht für ein Rudel Hunde." Da B also A "Dad" nennt, schien mir die Anna hme vernünftig, dass es sich bei ihnen um Vater und Sohn handelte. A war auch eindeutig der Koch, dessen Kochkünste offenbar keine hohe Wertschätzung genossen. Bedeutete das, dass es keine Mutter gab? Ich wusste es nicht. Aber, so sagte ich mir, anfangs wissen wir nie, worauf alles hinausläuft.
"Dunkel". Ein breites Fenster. Abendhimmel. Ein Mann, A (der spätere Deeley), und eine Frau, B (die spätere Kate), sitzen und trinken. "Dick oder dünn?" fragt der Mann. Von wem red en sie? Aber dann sehe ich am Fenster eine Frau, C (die spätere Anna ), sie steht in einer anderen Beleuchtung, mit dem Rücken zu den anderen, ihre Haare sind dunkel.
Es ist ein merkwürdiger Moment, der Moment, in dem man Personen erschafft, die bis dahin nicht existierten. Was dann kommt, vollzieht sich sprunghaft, vage, sogar halluzinatorisch, auch wenn es manchmal einer unaufhaltsamen Lawine gleicht. Der Autor befindet sich in einer eigenartigen Lage. Die Personen empfangen ihn eigentlich nicht mit offenen Armen. Die Personen widersetzen sich ihm. Es ist schwierig, mit ihnen auszukommen, sie zu definieren ist unmöglich. Vorschreiben lassen sie sich schon gar nichts. In gewisser Weise spielt man mit ihnen ein endloses Spiel: Katz und Maus, Blindekuh, Verstecken. Aber schließlich merkt man, dass man es mit Menschen aus Fleisch und Blut zu tun hat, mit Menschen die einen eigenen Willen und eine individuelle Sensibilität besitzen und aus Bestandteilen bestehen, die man nicht verändern, manipulieren oder verzerren kann.
Die Sprache in der Kunst bleibt also eine äußerst vieldeutige Angelegenheit, Treibsand oder Trampolin, ein gefrorener Teich, auf dem man, der Autor, jederzeit einbrechen könnte.
Aber wie gesagt, die Suche nach der Wahrheit kann nie aufhören. Man kann sie nicht vertagen, sie lässt sich nicht aufschieben. Man muss sich ihr stellen und zwar hier und jetzt.
Politisches Theater stellt einen vor völlig andersartige Probleme. Moralpredigten gilt es unter allen Umständen zu vermeiden. Objektivität ist unabdingbar. Die Personen müssen frei atmen können. Der Autor darf sie nicht einschränken und einengen, damit sie seinen eigenen Vorlieben, Neigungen und Vorurteilen genügen. Er muss bereit sein, sich ihnen aus den verschiedensten Richtungen zu nähern, unter allen möglichen Blickwinkeln, sie vielleicht gelegentlich zu überrumpeln, ihnen aber trotzdem die Freiheit zu lassen, ihren eigenen Weg zu gehen. Das funktioniert nicht immer. Und die politische Satire befolgt natürlich keine dieser Regeln, sie tut tatsächlich das genaue Gegenteil und erfüllt damit ihre eigentliche Funktion.
In meinem Stück Die Geburtstagsfeier lasse ich, glaube ich, in einem dichten Wald der Möglichkeiten einer ganzen Reihe von Alternativen Spielraum, bevor schließlich ein Akt der Unterwerfung in den Brennpunkt rückt.
Berg-Sprache behauptet einen solchen Spielraum nicht. Das Stück bleibt brutal, kurz und hässlich. Aber die Soldaten im Stück haben ihren Spaß. Man vergisst manchmal, dass sich Folterer rasch langweilen. Sie müssen etwas zu lachen haben, damit ihnen die Lust nicht vergeht. Die Ereignisse in Abu Ghraib in Bagdad haben das natürlich bestätigt. Berg-Sprache dauert nur 20 Minuten, aber es könnte Stunde um Stunde immer so weitergehen, nach demselben Muster, immer so weiter, Stunde um Stunde.
Asche zu Asche andererseits scheint mir unter Wasser zu spielen. Eine ertrinkende Frau reckt durch die Wellen die Hand nach oben, sie versinkt, sucht nach anderen, aber sie findet dort niemand, weder über noch unter Wasser, sie findet nur treibende Schatten, Spiegelungen; die Frau, eine verlorene Gestalt in einer ertrinkenden Landschaft, eine Frau, die dem Verderben, das nur anderen bestimmt gewesen zu sein schien, nicht entrinnen kann.
Doch so wie sie starben, muss auch sie sterben.
Politische Sprache, so wie Politiker sie gebrauchen, wagt sich auf keines dieser Gebiete, weil die Mehrheit der Politiker, nach den uns vorliegenden Beweisen, an der Wahrheit kein Interesse hat sondern nur an der Macht und am Erhalt dieser Macht. Damit diese Macht erhalten bleibt, ist es unabdingbar, dass die Menschen unwissend bleiben, dass sie in Unkenntnis der Wahrheit leben, sogar der Wahrheit ihres eigenen Lebens. Es umgibt uns deshalb ein weitverzweigtes Lügengespinst, von dem wir uns nähren.
Wie jeder der hier Anwesenden weiß, lautete die Rechtfertigung für die Invasion des Irak, Saddam Hussein verfüge über ein hoch gefährliches Arsenal an Massenvernichtungswaffen, von denen einige binnen 45 Minuten abgefeuert werden könnten, mit verheerender Wirkung. Man versicherte uns, dies sei wahr. Es war nicht die Wahrheit. Man erzählte uns, der Irak unterhalte Beziehungen zu al-Qaida und trage Mitverantwortung für die Gräuel in New York am 11. September 2001. Man versicherte uns, dies sei wahr. Es war nicht die Wahrheit. Man erzählte uns, der Irak bedrohe die Sicherheit der Welt. Man versicherte uns es sei wahr. Es war nicht die Wahrheit.
Die Wahrheit sieht völlig anders aus. Die Wahrheit hat damit zu tun, wie die Vereinigten Staaten ihre Rolle in der Welt auffassen und wie sie sie verkörpern wollen.
Doch bevor ich auf die Gegenwart zurückkomme, möchte ich einen Blick auf die jüngste Vergangenheit werfen; damit meine ich die Außenpolitik der Vereinigten Staaten seit dem Ende des 2. Weltkriegs. Ich glaube, wir sind dazu verpflichtet, diesen Zeitraum zumindest einer gewissen, wenn auch begrenzten Prüfung zu unterziehen, mehr erlaubt hier die Zeit nicht.
Jeder weiß, was in der Sowjetunion und in ganz Osteuropa während der Nachkriegszeit passierte: die systematische Brutalität, die weit verbreiteten Gräueltaten, die rücksichtslose Unterdrückung eigenständigen Denkens. All dies ist ausführlich dokumentiert und belegt worden.
Aber ich behaupte hier, dass die Verbrechen der USA im selben Zeitraum nur oberflächlich protokolliert, geschweige denn dokumentiert, geschweige denn eingestanden, geschweige denn überhaupt als Verbrechen wahrgenommen worden sind. Ich glaube, dass dies benannt werden muss, und dass die Wahrheit beträchtlichen Einfluss darauf hat, wo die Welt jetzt steht. Trotz gewisser Beschränkungen durch die Existenz der Sowjetunion, machte die weltweite Vorgehensweise der Vereinigten Staaten ihre Überzeugung deutlich, für ihr Handeln völlig freie Hand zu besitzen.
Die direkte Invasion eines souveränen Staates war eigentlich nie die bevorzugte Methode der Vereinigten Staaten. Vorwiegend haben sie den von ihnen sogenannten "Low Intensity Conflict" favorisiert. "Low Intensity Conflict" bedeutet, dass tausende von Menschen sterben aber langsamer als würde man sie auf einen Schlag mit einer Bombe auslöschen. Es bedeutet, dass man das Herz des Landes infiziert, dass man eine bösartige Wucherung in Gang setzt und zuschaut wie der Faulbrand erblüht. Ist die Bevölkerung unterjocht worden oder totgeprügelt es läuft auf dasselbe hinaus und sitzen die eigenen Freunde, das Militär und die großen Kapitalgesellschaften, bequem am Schalthebel, tritt man vor die Kamera und sagt, die Demokratie habe sich behauptet. Das war in den Jahren, auf die ich mich hier beziehe, gang und gäbe in der Außenpolitik der USA.
Die Tragödie Nicaraguas war ein hochsignifikanter Fall. Ich präsentiere ihn hier als schlagendes Beispiel für Amerikas Sicht seiner eigenen Rolle in der Welt, damals wie heute.
Ende der 80er Jahre nahm ich an einem Treffen in der amerikanischen Botschaft in London teil.
Der Kongress der Vereinigten Staaten sollte entscheiden, ob man die Contras in ihrem Feldzug gegen den nicaraguanischen Staat mit mehr Geld unterstützt. Ich gehörte der Delegation an, die für Nicaragua sprach, doch das wichtigste Delegationsmitglied war Father John Metcalf. Der Leiter der amerikanischen Gruppe war Raymond Seitz (damals nach dem Botschafter die Nummer Zwei, später selber Botschafter). Father Metcalf sagte: "Sir, ich leite eine Gemeinde im Norden Nicaraguas. Meine Gemeindeglieder haben eine Schule gebaut, ein medizinisches Versorgungszentrum, ein Kulturzentrum. Wir haben in Frieden gelebt. Vor einigen Monaten griffen Contratruppen die Gemeinde an. Sie zerstörten alles: die Schule, das medizinische Versorgungszentrum, das Kulturzentrum. Sie vergewaltigten Krankenschwestern und Lehrerinnen, schlachteten die Ärzte aufs brutalste ab. Sie benahmen sich wie Berserker. Bitte fordern Sie, dass die US-Regierung diesen empörenden terroristischen Umtrieben die Unterstützung entzieht."
Raymond Seitz besaß einen ausgezeichneten Ruf als rationaler, verantwortungsbewusster und hoch kultivierter Mann. Er genoss in diplomatischen Kreisen großes Ansehen. Er hörte genau zu, zögerte und sprach dann mit großem Ernst. "Father", sagte er, "ich möchte Ihnen etwas sagen. Im Krieg leiden immer Unschuldige." Es herrschte eisiges Schweigen. Wir starrten ihn an. Er zuckte nicht einmal mit der Wimper.
In der Tat, Unschuldige leiden immer.
Schließlich sagte jemand: "Aber in diesem Fall waren die ,Unschuldigen' Opfer einer durch Ihre Regierung subventionierten, entsetzlichen Gräueltat, einer von vielen. Sollte der Kongress den Contras mehr Geld bewilligen, wird es zu weiteren Gräueln kommen. Ist dem nicht so? Macht sich Ihre Regierung damit nicht der Unterstützung von Mordtaten und Vernichtungswerken schuldig, begangen an Bürgern eines souveränen Staates?"
Seitz ließ sich durch nichts erschüttern. "Ich bin nicht der Auffassung, dass die vorliegenden Fakten Ihre Behauptungen stützen", sagte er.
Beim Verlassen der Botschaft sagte mir ein US-Berater, er schätze meine Stücke. Ich reagierte nicht.
Ich darf Sie daran erinnern, dass Präsident Reagan damals folgendes Statement abgab: "Die Contras stehen moralisch auf einer Stufe mit unseren Gründervätern."
Die Vereinigten Staaten unterstützten die brutale Somoza-Diktatur in Nicaragua über 40 Jahre. Angeführt von den Sandinisten, stürzte das nicaraguanische Volk 1979 dieses Regime, ein atemberaubender Volksaufstand.
Die Sandinisten waren nicht vollkommen. Auch sie verfügten über eine gewisse Arroganz, und ihre politische Philosophie beinhaltete eine Reihe widersprüchlicher Elemente. Aber sie waren intelligent, einsichtig und zivilisiert. Sie machten sich daran, eine stabile, anständige, pluralistische Gesellschaft zu gründen. Die Todesstrafe wurde abgeschafft. Hunderttausende verarmter Bauern wurden quasi ins Leben zurückgeholt. Über 100.000 Familien erhielten Grundbesitz. Zweitausend Schulen entstanden. Eine äußerst bemerkenswerte Alphabetisierungskampagne verringerte den Anteil der Analphabeten im Land auf unter ein Siebtel. Freies Bildungswesen und kostenlose Gesundheitsfürsorge wurden eingeführt. Die Kindersterblichkeit ging um ein Drittel zurück. Polio wurde ausgerottet.
Die Vereinigten Staaten denunzierten diese Leistungen als marxistisch-leninistische Unterwanderung. Aus Sicht der US-Regierung war dies ein gefährliches Beispiel. Erlaubte man Nicaragua, elementare Normen sozialer und ökonomischer Gerechtigkeit zu etablieren, erlaubte man dem Land, den Standard der Gesundheitsfürsorge und des Bildungswesens anzuheben und soziale Einheit und nationale Selbstachtung zu erreichen, würden benachbarte Länder dieselben Fragen stellen und dieselben Dinge tun. Damals regte sich natürlich heftiger Widerstand gegen den in El Salvador herrschenden Status quo.
Ich erwähnte vorhin das "Lügengespinst", das uns umgibt. Präsident Reagan beschrieb Nicaragua meist als "totalitären Kerker". Die Medien generell und ganz bestimmt die britische Regierung werteten dies als zutreffenden und begründeten Kommentar. Aber tatsächlich gab es keine Berichte über Todesschwadronen unter der sandinistischen Regierung. Es gab keine Berichte über Folterungen. Es gab keine Berichte über systematische oder offiziell autorisierte militärische Brutalität. In Nicaragua wurde nie ein Priester ermordet. Es waren vielmehr drei Priester an der Regierung beteiligt, zwei Jesuiten und ein Missionar des Maryknoll-Ordens. Die totalitären Kerker befanden sich eigentlich nebenan in El Salvador und Guatemala. Die Vereinigten Staaten hatten 1954 die demokratisch gewählte Regierung von Guatemala gestürzt, und Schätzungen zufolge sollen den anschließenden Militärdiktaturen mehr als 200.000 Menschen zum Opfer gefallen sein.
Sechs der weltweit namhaftesten Jesuiten wurden 1989 in der Central American University in San Salvador von einem Batallion des in Fort Benning, Georgia, USA, ausgebildeten Alcatl-Regiments getötet. Der außergewöhnlich mutige Erzbischof Romero wurde ermordet, als er die Messe las. Schätzungsweise kamen 75.000 Menschen ums Leben. Weshalb wurden sie getötet? Sie wurden getötet, weil sie ein besseres Leben nicht nur für möglich hielten sondern auch verwirklichen wollten. Dieser Glaube stempelte sie sofort zu Kommunisten. Sie starben, weil sie es wagten, den Status quo infrage zu stellen, das endlose Plateau von Armut, Krankheit, Erniedrigung und Unterdrückung, das ihr Geburtsrecht gewesen war.
Die Vereinigten Staaten stürzten schließlich die sandinistische Regierung. Es kostete einige Jahre und beträchtliche Widerstandskraft, doch gnadenlose ökonomische Schikanen und 30.000 Tote untergruben am Ende den Elan des nicaraguanischen Volkes. Es war erschöpft und erneut verarmt. Die Casinos kehrten ins Land zurück. Mit dem kostenlosen Gesundheitsdienst und dem freien Schulwesen war es vorbei. Das Big Business kam mit aller Macht zurück. Die 'Demokratie' hatte sich behauptet.
Doch diese "Politik" blieb keineswegs auf Mittelamerika beschränkt. Sie wurde in aller Welt betrieben. Sie war endlos. Und es ist, als hätte es sie nie gegeben.
Nach dem Ende des 2. Weltkriegs unterstützten die Vereinigten Staaten jede rechtsgerichtete Militärdiktatur auf der Welt, und in vielen Fällen brachten sie sie erst hervor. Ich verweise auf Indonesien, Griechenland, Uruguay, Brasilien, Paraguay, Haiti, die Türkei, die Philippinen, Guatemala, El Salvador und natürlich Chile. Die Schrecken, die Amerika Chile 1973 zufügte, können nie gesühnt und nie verziehen werden.
In diesen Ländern hat es Hunderttausende von Toten gegeben. Hat es sie wirklich gegeben? Und sind sie wirklich alle der US-Außenpolitik zuzuschreiben? Die Antwort lautet ja, es hat sie gegeben, und sie sind der amerikanischen Außenpolitik zuzuschreiben. Aber davon weiß man natürlich nichts.
Es ist nie passiert. Nichts ist jemals passiert. Sogar als es passierte, passierte es nicht. Es spielte keine Rolle. Es interessierte niemand. Die Verbrechen der Vereinigten Staaten waren systematisch, konstant, infam, unbarmherzig, aber nur sehr wenige Menschen haben wirklich darüber gesprochen. Das muss man Amerika lassen. Es hat weltweit eine ziemlich kühl operierende Machtmanipulation betrieben, und sich dabei als Streiter für das universelle Gute gebärdet. Ein glänzender, sogar geistreicher, äußerst erfolgreicher Hypnoseakt.
Ich behaupte, die Vereinigten Staaten ziehen die größte Show der Welt ab, ganz ohne Zweifel. Brutal, gleichgültig, verächtlich und skrupellos, aber auch ausgesprochen clever. Als Handlungsreisende stehen sie ziemlich konkurrenzlos da, und ihr Verkaufsschlager heißt Eigenliebe. Ein echter Renner. Man muss nur all die amerikanischen Präsidenten im Fernsehen die Worte sagen hören: "das amerikanische Volk", wie zum Beispiel in dem Satz: "Ich sage dem amerikanischen Volk, es ist an der Zeit, zu beten und die Rechte des amerikanischen Volkes zu verteidigen, und ich bitte das amerikanische Volk, den Schritten ihres Präsidenten zu vertrauen, die er im Auftrag des amerikanischen Volkes unternehmen wird."
Ein brillanter Trick. Mit Hilfe der Sprache hält man das Denken in Schach. Mit den Worten "das amerikanische Volk" wird ein wirklich luxuriöses Kissen zur Beruhigung gebildet. Denken ist überflüssig. Man muss sich nur ins Kissen fallen lassen. Möglicherweise erstickt das Kissen die eigene Intelligenz und das eigene Urteilsvermögen, aber es ist sehr bequem. Das gilt natürlich weder für die 40 Millionen Menschen, die unter der Armutsgrenze leben, noch für die 2 Millionen Männer und Frauen, die in dem riesigen Gulag von Gefängnissen eingesperrt sind, der sich über die Vereinigten Staaten erstreckt.
Den Vereinigten Staaten liegt nichts mehr am low intensity conflict. Sie sehen keine weitere Notwendigkeit, sich Zurückhaltung aufzuerlegen oder gar auf Umwegen ans Ziel zu kommen. Sie legen ihre Karten ganz ungeniert auf den Tisch. Sie scheren sich einen Dreck um die Vereinten Nationen, das Völkerrecht oder kritischen Dissens, den sie als machtlos und irrelevant betrachten. Sie haben sogar ein kleines, blökendes Lämmchen, das ihnen an einer Leine hinterher trottelt, das erbärmliche und abgeschlaffte Großbritannien.
Was ist aus unserem sittlichen Empfinden geworden? Hatten wir je eines? Was bedeuten diese Worte? Stehen sie für einen heutzutage äußerst selten gebrauchten Begriff – Gewissen? Ein Gewissen nicht nur hinsichtlich unseres eigenen Tuns sondern auch hinsichtlich unserer gemeinsamen Verantwortung für das Tun anderer? Ist all das tot? Nehmen wir Guantanamo Bay. Hunderte von Menschen, seit über drei Jahren ohne Anklage in Haft, ohne gesetzliche Vertretung oder ordentlichen Prozess, im Prinzip für immer inhaftiert. Diese absolut rechtswidrige Situation existiert trotz der Genfer Konvention weiter. Die sogenannte "internationale Gemeinschaft" toleriert sie nicht nur, sondern verschwendet auch so gut wie keinen Gedanken daran. Diese kriminelle Ungeheuerlichkeit begeht ein Land, das sich selbst zum "Anführer der freien Welt" erklärt. Denken wir an die Menschen in Guantanamo Bay? Was berichten die Medien über sie? Sie tauchen gelegentlich auf – eine kleine Notiz auf Seite sechs. Sie wurden in ein Niemandsland geschickt, aus dem sie womöglich nie mehr zurückkehren. Gegenwärtig sind viele im Hungerstreik, werden zwangsernährt, darunter auch britische Bürger. Zwangsernährung ist kein schöner Vorgang. Weder Beruhigungsmittel noch Betäubung. Man bekommt durch die Nase einen Schlauch in den Hals gesteckt. Man spuckt Blut. Das ist Folter. Was hat der britische Außenminister dazu gesagt? Nichts. Was hat der britische Premierminister dazu gesagt? Nichts. Warum nicht? Weil die Vereinigten Staaten gesagt haben: Kritik an unserem Vorgehen in Guantanamo Bay stellt einen feindseligen Akt dar. Ihr seid entweder für uns oder gegen uns. Also hält Blair den Mund.
Die Invasion des Irak war ein Banditenakt, ein Akt von unverhohlenem Staatsterrorismus, der die absolute Verachtung des Prinzips von internationalem Recht demonstrierte. Die Invasion war ein willkürlicher Militäreinsatz, ausgelöst durch einen ganzen Berg von Lügen und die üble Manipulation der Medien und somit der Öffentlichkeit; ein Akt zur Konsolidierung der militärischen und ökonomischen Kontrolle Amerikas im mittleren Osten unter der Maske der Befreiung, letztes Mittel, nachdem alle anderen Rechtfertigungen sich nicht hatten rechtfertigen lassen. Eine beeindruckende Demonstration einer Militärmacht, die für den Tod und die Verstümmelung abertausender Unschuldiger verantwortlich ist.
Wir haben dem irakischen Volk Folter, Splitterbomben, abgereichertes Uran, zahllose, willkürliche Mordtaten, Elend, Erniedrigung und Tod gebracht und nennen es "dem mittleren Osten Freiheit und Demokratie bringen".
Wie viele Menschen muss man töten, bis man sich die Bezeichnung verdient hat, ein Massenmörder und Kriegsverbrecher zu sein? Einhunderttausend? Mehr als genug, würde ich meinen. Deshalb ist es nur gerecht, dass Bush und Blair vor den Internationalen Strafgerichtshof kommen. Aber Bush war clever. Er hat den Internationalen Strafgerichtshof gar nicht erst anerkannt. Für den Fall, dass sich ein amerikanischer Soldat oder auch ein Politiker auf der Anklagebank wiederfindet, hat Bush damit gedroht, die Marines in den Einsatz zu schicken. Aber Tony Blair hat den Gerichtshof anerkannt und steht für ein Gerichtsverfahren zur Verfügung. Wir können dem Gerichtshof seine Adresse geben, falls er Interesse daran hat. Sie lautet Number 10, Downing Street, London.
Der Tod spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle. Für Bush und Blair ist der Tod eine Lappalie. Mindestens 100.000 Iraker kamen durch amerikanische Bomben und Raketen um, bevor der irakische Aufstand begann. Diese Menschen sind bedeutungslos. Ihr Tod existiert nicht. Sie sind eine Leerstelle. Sie werden nicht einmal als tot gemeldet. "Leichen zählen wir nicht", sagte der amerikanische General Tommy Franks.
Ganz zu Beginn der Invasion veröffentlichten die britischen Zeitungen auf der Titelseite ein Foto von Tony Blair, der einen kleinen irakischen Jungen auf die Wange küsst. "Ein dankbares Kind", lautete die Überschrift. Einige Tage später gab es auf einer Innenseite einen Bericht und ein Foto von einem anderen vierjährigen Jungen, ohne Arme. Eine Rakete hatte seine Familie in die Luft gesprengt. Er war der einzige Überlebende. "Wann bekomme ich meine Arme wieder?" fragte er. Der Bericht wurde nicht weiter verfolgt. Nun, diesen Jungen hielt auch nicht Tony Blair in den Armen, weder ihn noch sonst ein anderes verstümmeltes Kind oder irgendeine blutige Leiche. Blut ist schmutzig. Es verschmutzt einem Hemd und Krawatte, wenn man eine aufrichtige Ansprache im Fernsehen hält.
Die 2000 toten Amerikaner sind peinlich. Sie werden bei Dunkelheit zu ihren Gräbern transportiert. Die Beerdigungen finden dezent statt, an einem sicheren Ort. Die Verstümmelten verfaulen in ihren Betten, manche für den Rest ihres Lebens. Die Toten und die Verstümmelten verfaulen beide, nur in unterschiedlichen Gräbern.
Dies ist ein Stück aus einem Gedicht von Pablo Neruda: "Erklärung einiger Dinge":
Und eines Morgens brachen die Flammen aus allem,
und eines Morgens stiegen lodernde Feuer
aus der Erde,
verschlangen Leben,
und seither Feuer,
Pulver seither,
und seither Blut.
Banditen mit Flugzeugen und Marokkanern,
Banditen mit Ringen und Herzoginnen,
Banditen mit segnenden schwarzen Mönchen
kamen vom Himmel, um Kinder zu töten,
und durch die Strassen das Blut der Kinder
floss einfach, wie das Blut von Kindern.
Schakale, widerwärtig für einen Schakal,
Steine, auf die die trockene Distel gespien hätte,
Vipern, die Vipern verachten würden!
Vor euch habe ich das Blut
Spaniens aufwallen gesehn,
euch zu ersäufen in einer einzigen Woge
von Stolz und Messern!
Generäle
Verräter:
seht mein totes Haus,
seht mein zerbrochenes Spanien:
doch aus jedem Haus schiesst brennendes Metall
anstelle von Blumen,
aus jedem Loch in Spanien
springt Spanien empor,
aus jedem ermordeten Kind wächst ein Gewehr mit Augen,
aus jedem Verbrechen werden Kugeln geboren,
die eines Tages den Sitz
eines Herzens finden werden.
Ihr fragt, warum seine Dichtung uns nichts
von der Erde erzählt, von den Blättern,
den großen Vulkanen seines Heimatlandes?
Kommt, seht das Blut in den Strassen,
kommt, seht
das Blut in den Straßen,
kommt, seht doch das Blut
in den Strassen! [1]
Ich möchte ganz unmissverständlich sagen, dass ich, indem ich aus Nerudas Gedicht zitiere, keinesfalls das republikanische Spanien mit dem Irak Saddam Husseins vergleiche. Ich zitiere Neruda, weil ich nirgendwo sonst in der zeitgenössischen Lyrik eine so eindringliche, wahre Beschreibung der Bombardierung von Zivilisten gelesen habe.
Ich sagte vorhin, die Vereinigten Staaten würden ihre Karten jetzt völlig ungeniert auf den Tisch legen. Dem ist genau so. Ihre offiziell verlautbarte Politik definiert sich jetzt als "full spectrum dominance". Der Begriff stammt nicht von mir sondern von ihnen. "Full spectrum dominance" bedeutet die Kontrolle über Land, Meer, Luft und Weltraum, sowie aller zugehörigen Ressourcen.
Die Vereinigten Staaten besitzen, über die ganze Welt verteilt, 702 militärische Anlagen in 132 Ländern, mit der rühmlichen Ausnahme Schwedens natürlich. Wir wissen nicht ganz genau, wie sie da hingekommen sind, aber sie sind jedenfalls da.
Die Vereinigten Staaten verfügen über 8000 aktive und operative Atomsprengköpfe. Zweitausend davon sind sofort gefechtsbereit und können binnen 15 Minuten abgefeuert werden. Es werden jetzt neue Nuklearwaffensysteme entwickelt, bekannt als Bunker-Busters. Die stets kooperativen Briten planen, ihre eigene Atomrakete Trident zu ersetzen. Wen, frage ich mich, haben sie im Visier? Osama Bin Laden? Sie? Mich? Joe Dokes? China? Paris? Wer weiß das schon? Eines wissen wir allerdings, nämlich dass dieser infantile Irrsinn – der Besitz und angedrohte Einsatz von Nuklearwaffen – den Kern der gegenwärtigen politischen Philosophie Amerikas bildet. Wir müssen uns in Erinnerung rufen, dass sich die Vereinigten Staaten dauerhaft im Kriegszustand befinden und mit nichts zu erkennen geben, dass sie diese Haltung aufgeben.
Abertausende wenn nicht gar Millionen Menschen in den USA sind nachweislich angewidert, beschämt und erzürnt über das Vorgehen ihrer Regierung, aber so wie die Dinge stehen, stellen sie keine einheitliche politische Macht dar – noch nicht. Doch die Besorgnis, Unsicherheit und Angst, die wir täglich in den Vereinigten Staaten wachsen sehen können, werden aller Wahrscheinlichkeit nach nicht schwinden.
Ich weiß, dass Präsident Bush zahlreiche ausgesprochen fähige Redenschreiber hat, aber ich möchte mich freiwillig für den Job melden. Ich schlage folgende kurze Ansprache vor, die er im Fernsehen an die Nation halten kann. Ich sehe ihn vor mir: feierlich, penibel gekämmt, ernst, gewinnend, aufrichtig, oft verführerisch, manchmal mit einem bitteren Lächeln, merkwürdig anziehend, ein echter Mann.
"Gott ist gut. Gott ist groß. Gott ist gut. Mein Gott ist gut. Bin Ladens Gott ist böse. Er ist ein böser Gott. Saddams Gott war böse, wenn er einen gehabt hätte. Er war ein Barbar. Wir sind keine Barbaren. Wir hacken Menschen nicht den Kopf ab. Wir glauben an die Freiheit. So wie Gott. Ich bin kein Barbar. Ich bin der demokratisch gewählte Anführer einer freiheitsliebenden Demokratie. Wir sind eine barmherzige Gesellschaft. Wir gewähren einen barmherzigen Tod auf dem elektrischen Stuhl und durch barmherzige Todesspritzen. Wir sind eine große Nation. Ich bin kein Diktator. Er ist einer. Ich bin kein Barbar. Er ist einer. Und er auch. Die alle da. Ich besitze moralische Autorität. Seht ihr diese Faust? Das ist meine moralische Autorität. Und vergesst das bloß nicht."
Das Leben eines Schriftstellers ist ein äußerst verletzliches, fast schutzloses Dasein. Darüber muss man keine Tränen vergießen. Der Schriftsteller trifft seine Wahl und hält daran fest. Es stimmt jedoch, dass man allen Winden ausgesetzt ist, und einige sind wirklich eisig. Man ist auf sich allein gestellt, in exponierter Lage. Man findet keine Zuflucht, keine Deckung – es sei denn, man lügt – in diesem Fall hat man sich natürlich selber in Deckung gebracht und ist, so ließe sich argumentieren, Politiker geworden.
Ich habe heute Abend etliche Male vom Tod gesprochen. Ich werde jetzt ein eigenes Gedicht zitieren. Es heißt "Tod".
Wo fand man den Toten?
Wer fand den Toten?
War der Tote tot, als man ihn fand?
Wie fand man den Toten?
Wer war der Tote?
Wer war der Vater oder die Tochter oder der Bruder
Oder der Onkel oder die Schwester oder die Mutter oder der Sohn
Des toten und verlassenen Toten?
War er tot, als er verlassen wurde?
War er verlassen?
Wer hatte ihn verlassen?
War der Tote nackt oder gekleidet für eine Reise?
Warum haben Sie den Toten für tot erklärt?
Haben Sie den Toten für tot erklärt?
Wie gut haben Sie den Toten gekannt?
Woher wussten sie, dass der Tote tot war?
Haben Sie den Toten gewaschen
Haben Sie ihm beide Augen geschlossen
Haben Sie ihn begraben
Haben Sie ihn verlassen
Haben Sie den Toten geküsst [2]
Blicken wir in einen Spiegel, dann halten wir das Bild, das uns daraus entgegensieht, für akkurat. Aber bewegt man sich nur einen Millimeter, verändert sich das Bild. Wir sehen im Grunde eine endlose Reihe von Spiegelungen. Aber manchmal muss ein Schriftsteller den Spiegel zerschlagen – denn von der anderen Seite dieses Spiegels blickt uns die Wahrheit ins Auge.
Ich glaube, dass den existierenden, kolossalen Widrigkeiten zum Trotz die unerschrockene, unbeirrbare, heftige intellektuelle Entschlossenheit, als Bürger die wirkliche Wahrheit unseres Lebens und unserer Gesellschaften zu bestimmen, eine ausschlaggebende Verpflichtung darstellt, die uns allen zufällt. Sie ist in der Tat zwingend notwendig.
Wenn sich diese Entschlossenheit nicht in unserer politischen Vision verkörpert, bleiben wir bar jeder Hoffnung, das wiederherzustellen, was wir schon fast verloren haben – die Würde des Menschen.
Fußnoten
1. aus Pablo Neruda: Dritter Aufenthalt auf Erden, 1937/1947. Übersetzt von Erich Arendt, in Der unsichtbare Fluss – ein Lesebuch herausgegeben von Victor Farias. Luchterhand, Hamburg, 1994.
2. aus Harold Pinter: Krieg. Übersetzt von Elisabeth Plessen und Peter Zadek. Rogner und Bernhard, Hamburg, 2003.
Übersetzung von Michael Walter
© DIE NOBELSTIFTUNG 2005
Aus: Website der Nobelpreis-Komitees, https://nobelprize.org
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https://www.sopos.org/aufsaetze/3c7d45fca43f6/1.phtml.html
Die USA, das gefährliche Tier
von Harold Pinter
Im November 2001 ehrte das PEN-Zentrum Deutschland einen der bedeutendsten Dramatiker der Gegenwart, Harold Pinter, wegen seines Engagements für verfolgte Autoren mit der Hermann-Kesten-Medaille. Das Land Hessen hatte den Preis mit 20 000 Mark dotiert. Die Zeremonie fand im Berliner Theater am Schiffbauerdamm statt. Doch die Öffentlichkeit erfuhr wenig davon, vor allem nicht vom Höhepunkt der Feier: Pinters Dankrede. Wir suchten im Internet. Die Suchmaschine »Google« gab viele hunderte Hinweise auf Pinter, aber nur einen einzigen auf seine Berliner Rede. Er fand sich auf einer Seite der DKP Darmstadt, wo eine Meldung unter der Überschrift »Harold Pinter kritisiert NATO und USA« zitiert war. Wir fragten beim PEN-Zentrum Deutschland nach, das in Darmstadt seinen Sitz hat. Dort erfuhren wir (fast drei Monate nach der Preis-verleihung), die Rede liege bisher nicht schriftlich vor. Das Sekretariat in Darm-stadt stellte uns aber freundlicherweise einen Tonbandmitschnitt zur Verfügung. Daraus sei hier zusammenfassend zitiert, was Pinter (in englischer Sprache) sagte und womit er die deutsche Öffentlichkeit bisher nicht erreichte.
Die Sprache der Politik und der Politiker ist immer korrupter und bedeutungsloser geworden. Im Grunde ist es ein Witz, wie sie sprechen, aber der Witz ist nicht komisch, vor allem die Folgen sind es nicht.
1999 sagte Margaret Thatcher zu General Pinochet, der unter Hausarrest in London stand: »General ich möchte Ihnen dafür danken, daß Sie die Demokratie nach Chile gebracht haben.« Bekanntlich hatte Pinochet mit Hilfe der USA Folter und Mord nach Chile gebracht.
Die Türkei ist nach China das Land, in dem die meisten Autoren inhaftiert sind. In den dortigen Gefängnissen wird systematisch gefoltert, die Haftbedingungen sind entsetzlich. Ein großer Teil der Gefangenen sind Kurden. Dennoch unterstützen die westlichen NATO-Partner die Türkei – zum Beispiel mit Waffenlieferungen; für unsere Länder ist das ein gutes Geschäft. Nach der Situation der Kurden fragt niemand. Die USA haben nie erwogen, Istanbul und Ankara zu bombardieren, obwohl das, was dort geschieht, viel weiter geht, viel schlimmer ist als das, was man Milosevic vorwirft.
Präsident Bush spricht in der Tradition vieler US-Präsidenten von freiheitsliebenden Völkern. Aber in den Gefängnissen der USA sitzen zwei Millionen freiheitsliebende Menschen, zu einem großen Teil Schwarze, und viele Schikanen, denen sie ausgesetzt sind, müssen nach den Kriterien von amnesty international Folter genannt werden. Das ist ein riesiger Gulag, von dem niemand spricht. Auch viele schwarze Schriftsteller sind dort gefangen. Gelegentlich dringt ein Schrei nach draußen, aber er wird kaum gehört.
Gegenwärtig werden in den USA Militärgerichtshöfe eingerichtet. Dort soll gegen angebliche Terroristen geheim verhandelt werden, und gegen die Urteile soll es keine Berufungsinstanz geben. Daran ist nichts demokratisch, daß sind eher diktatorische Zustände.
Die USA und Großbritannien haben den Irak bombardiert und mit Sanktionen belegt, durch die – nach UN- Dokumenten – innerhalb von zehn Jahren annähernd eine Million Kinder gestorben sind. Das geschieht angeblich zur Verteidigung der Zivilisation, zur Verteidigung des moralischen Rechts der Guten (und die Guten sind wir). Ich nenne das Mord, ja Völkermord.
Nach den katastrophalen Ereignissen des 11. September fragten die USA nicht nach den Gründen; sie unterließen es, zu untersuchen und zu analysieren, um zu verstehen. Die einzige Reaktion, an der sich auch mein Premierminister Tony Blair beteiligte, waren Bomben auf ein einfaches, armes Land. Und das geschah wiederum angeblich zur Verteidigung der Zivilisation.
Die USA sagen jetzt, es gebe 40 bis 50 weitere Länder, die bekämpft werden müßten. Nehmen wir uns in acht. Die USA sind ein extrem gefährliches mächtiges Tier. Es kommt darauf an, welche Rolle Europa spielt. Gegenwärtig erinnert mich das Verhältnis Europas zu den USA an Shakespeares »Julius Cäsar«, wo Casius den Koloß beschreibt, der breitbeinig über der Welt steht: Wir, die kleinen Leute, verstecken uns hinter ihm, schauen nur schüchtern herum und graben uns das eigene ehrlose Grab. Die europäische Verantwortung liegt aber darin, mutig, klar, intelligent, kritisch Einfluß zu nehmen. Bedenken wir: Viel Zeit ist nicht mehr.